PM: Wer zu spät kommt …

Erfurt, 26.06.2019/ „Diese Verordnung kommt dreißig Jahre zu spät. Sie geht an der Realität heute völlig vorbei.“, sagt Oberkirchenrat Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland und Vorsitzender der LIGA der Wohlfahrtsverbände in Thüringen.

Die LIGA sieht den Entwurf einer „Verordnung zur Durchführung des Thüringer Gesetzes über betreute Wohnformen und Teilhabe“ (kurz: ThürWTG-DVO) als verfehlt und nicht umsetzbar an. Mehr noch: „Zum einen droht die Schließung vor allem kleinerer Einrichtungen im ländlichen Raum. Und wer die Konsequenzen dieses Entwurfs berechnet, kann den Verordnungstext als Förderprogramm für wachsende Altersarmut betrachten.“

Die Kritik der Wohlfahrtsverbände richtet sich vor allem gegen den enormen Kostenaufwuchs, der zwar als Steigerung der Pflegequalität gedacht, aber in der Umsetzung nicht bezahlbar ist. Die jüngste bundesweite Debatte um steigende Eigenanteile für Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen bezieht die Thüringer Verordnung ebenso wenig ein, wie die „Konzertierte Aktion Pflege“, mit der die Bundesregierung aktuell Entlastung für Pflegebedürftige und deren Angehörige schaffen will. „Und in diesem Moment geht Thüringen in die Offensive, macht den Wohnraum größer und schöner, holt mehr Fachkräfte ins System, macht den Einrichtungen strengste Auflagen und verspricht eine Verbesserung in jeder Hinsicht.“ Die guten Absichten führen nach Auffassung der gemeinnützigen Sozialverbände jedoch zu Verschlechterungen. Insbesondere für die Pflegebedürftigen. Die rigiden Auflagen im Entwurf der Verordnung verteuern den einzelnen Pflegeplatz sowohl durch die steigenden Personalkosten, als auch durch erhebliche bauliche Auflagen. Tariferhöhungen der nächsten Jahre für Pflegepersonal sind noch gar nicht einberechnet. „Die Probleme, die wir als Gesellschaft beim Thema Pflege haben, lösen wir nicht durch sprunghafte Kostensteigerungen, die am Ende als Armutsbedrohung bei den Betroffenen und in den ohnehin strapazierten Sozialkassen der Kommunen landen.“, erklärt Christoph Stolte.

Aus dem Entwurf der Verordnung lässt sich ein zusätzlicher Bedarf von 1.000 bis 1.400 Pflegefachkräften errechnen, die kurzfristig eingestellt werden müssten. Da dieser Bedarf nicht gedeckt werden kann, drohen Schließungen von Einrichtungen. Dadurch würde die Zahl der Pflegeplätze gegenüber heute sogar sinken. Der Pflegenotstand würde größer. „Woher die Fachkräfte kommen sollen, fragen sich Landesregierung, Pflegekassen und Pflegedienstleister seit Jahren schon gemeinsam – eine Antwort haben wir aber nicht gefunden. Jetzt reagiert das Land mit einer Ansage!“, so Stolte. „Hier hätte es schon vor Jahrzehnten richtungsweisende Entscheidungen gebraucht.“

Die Wohlfahrtsverbände lehnen in einer aktuellen Stellungnahme an die Landesregierung den Entwurf der Verordnung grundlegend ab. Alternativen gebe es durchaus. Eine Verschränkung mit Bemühungen der Bundesregierung, die Einbeziehung von ähnlichen Gesetzesentwicklung wie zum Beispiel im Bundesteilhabegesetz, die Öffnung des Berufsfeldes für Fachkräfte aus anderen Berufen – die Wohlfahrtsverbände haben eine ganze Reihe von praktikablen Ideen. „Wir alle wollen gute Pflege. Dirigismus bringt uns nicht zum Ziel. Wir brauchen jetzt einen konstruktiven Dialog zwischen Landesregierung, den Kommunen, die vor einer gewaltigen Kostensteigerung stehen, und den Pflegeanbietern, die die Veränderungen umsetzen sollen. Die Wohlfahrtsverbände stehen für diesen Dialog bereit.“, so der LIGA-Vorsitzende Christoph Stolte.

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